Valerie Bachert
Isabella Bigler
Mario Kersten
Von den zahlreichen Verhütungsmethoden, die in diesem Buch einen Auftritt haben, sind Kondome die einzigen, die außerdem vor sexuell übertragbaren Infektionen (STI) schützen. Die häufigsten STI stellen wir dir auf den folgenden Seiten vor. Übrigens gelten vier weitere Dinge für alle von ihnen:
Man merkt oft nicht, dass man sich angesteckt hat.
Je höher die Anzahl der Sexualpartner_innen, desto höher das Ansteckungsrisiko.
Wenn man sich angesteckt (und es bemerkt) hat, müssen alle Sexualpartner_innen informiert und mitbehandelt werden.
Kein Sex – bis die Behandlung der STI abgeschlossen ist.
Was ist das?
Harnröhrenentzündung. Dafür gibt es viele Ursachen, von denen die meisten etwas mit ungeschütztem Sex zu tun haben. In diesem Beispiel das Bakterium Mycoplasma genitalium, das bisher ziemlich unbekannt ist. Problematisch ist, dass es oft mit Chlamydien verwechselt und deswegen falsch behandelt wird. Dadurch bildet das Bakterium Resistenzen und wird nur stärker. Und die schmerzhafte Harnröhren- entzündung geht davon auch nicht weg.
Wer hat das?
Das weiß gerade niemand so genau. Britische Forscher gehen seit Kurzem davon aus, dass die Infektion mit Mycoplasma genitalium in etwa so häufig ist wie Chlamydien.
Was tun?
Antibiotika – die richtigen allerdings. Bei Harnröhrenentzündung geben Ärzt_innen gewöhnlich auf Verdacht Medikamente gegen Chlamydien, weil sie so häufig sind.
Was will ich noch nicht wissen?
Mykoplasmen bevölkern auch den Genitalbereich gesunder Menschen, das ist ganz normal. Zickig werden sie erst, wenn sie beim Sex in die Harnröhre geschoben werden, denn da möchten sie nicht wohnen.
Was ist das?
Auch harter Schanker, Lues oder (fies!) Franzosenkrankheit genannt. Kurz gesagt, führt die Krankheit unbehandelt über einen Zeitraum von Monaten bis Jahrzehnten zu einem ziemlich elendigen Tod. Sie beginnt mit einem münzgroßen Geschwür, das von selbst wieder verschwindet, geht über in Hautausschlag und Geschwüre im ganzen Körper und endet mit Demenz, Halluzinationen und psychotischen Zuständen. Die eingefallene Nase, die viele mit Syphilis assoziieren, entsteht, wenn Geschwüre am Gaumen zur Nase durchbrechen.
Wer hat das?
Mit der Entdeckung von Penicillin konnte Syphilis stark zurückgedrängt werden. Seit den Neunzigerjahren steigen die Fallzahlen aber vor allem in Großstädten wieder kontinuierlich an. 2015 waren in Deutschland etwa 7.000 Fälle gemeldet.
Was tun?
Eine Behandlung mit Antibiotikaspritzen, meist Penicillin. Wie lange sie dauert, hängt davon ab, wie weit die Krankheit fortgeschritten ist.
Was will ich noch nicht wissen?
Warum eigentlich Franzosenkrankheit? Offenbar waren die Franzosen verantwortlich für die erste Syphilis-Epidemie. Die „Lustseuche“ wurde wahrscheinlich von Kolumbus’ Matrosen nach Spanien importiert und dann beim Kampf um Neapel an die französischen Truppen weitergegeben (die haben wohl nicht immer nur gekämpft ...). Die heimkehrenden Soldaten sorgten dann für schnelle weitere Verbreitung. Fast unnötig zu erwähnen: In Frankreich hieß die Seuche „Mal de Naples“ (= Italienkrankheit quasi). Den Brauch, geografischen Nachbarn und politischen Gegnern den Schwarzen Peter zuzuschieben, gibt es also überall.
Was ist das?
Meistens ist der Erreger HSV-2 für Genitalherpes und HSV-1 für Lippenherpes verantwortlich. Aber manchmal kommen irgendwie Lippenviren an die Genitalien und andersrum. Meistens verursachen sie dort „nur“ Bläschen, oft auch nur ein einziges Mal. Sie können aber auch generalisierte Erkrankungen hervorrufen, bei denen an Folgen von Ekzemen bis Tod alles dabei ist. Genitalherpes ist eher harmlos: Es juckt und kribbelt im Schritt, es bilden sich hoch ansteckende Bläschen. Dann gehen sie wieder weg. The end.
Wer hat das?
20 bis 60 Prozent der Deutschen haben HSV-2 im Körper.
Was tun?
Kein Sex, wenn sich ein Ausbruch andeutet, denn dann ist man ansteckend. Und kein Sex, bis der Ausbruch abgeheilt ist! Ansonsten können Cremes und Tabletten helfen. Die Wirksamkeit von Hausmitteln wie Teebaumöl, Zahnpasta, Honig und Ähnlichem konnte übrigens wissenschaftlich nie belegt werden. Und: Wer sich einmal mit Herpes angesteckt hat, trägt das Virus lebenslang im Körper.
Was will ich noch nicht wissen?
Herpes ist beim ersten Mal am schlimmsten. Weitere Ausbrüche werden von Mal zu Mal schwächer.
Was ist das?
Eine bakterielle Infektion, bei der es in zwei Dritteln der Fälle keine Symptome gibt. Wenn es welche gibt, dann diese: Juckreiz, Schmerzen und Brennen beim Pinkeln – recht harmlos. Unbehandelt können Chlamydien aber beide Geschlechter unfruchtbar machen. Und ganz blöd ist es auch, wenn man sich die Bakterien aus Versehen in die Augen reibt, davon kann man blind werden.
Wer hat das?
In Deutschland ist das die häufigste STI.
Was tun?
Mit Antibiotika wird man Chlamydien wieder los.
Was will ich noch nicht wissen?
Laut einer britischen Studie sind sexuell übertragbare Krankheiten bei 50- bis 90- Jährigen in England, den USA und Kanada auf dem Vormarsch. Vor allem Chlamydien, aber auch Syphilis, Gonorrhö und HIV werden mittlerweile rund doppelt bis dreifach so häufig registriert wie noch vor zehn Jahren.
Was ist das?
Das sind parasitäre Urtierchen, die sich vor allem in der Harnröhre einnisten. Männer bemerken davon meistens überhaupt nichts, manchmal bekommen sie eine Harnröhrenentzündung. 80 Prozent der Frauen bemerken anfangs auch nichts. Dann kommt es zu Entzündungen – meistens die Harnröhre, manchmal auch Harnblase und Gebärmutter – und eitrigem Ausfluss.
Wer hat das?
Mit etwa 170 Millionen Neuinfektionen im Jahr gehört die Krankheit zu den häufigsten STI. Hauptüberträger sind Männer, weil die meistens nichts von ihrer Infektion wissen.
Was tun?
Antibiotika nehmen.
Was will ich noch nicht wissen?
Forscherin Terri Conely fand heraus, dass Paare in offenen Beziehungen weniger STI haben als Paare in monogamen Beziehungen. Wie das sein kann? Ein Drittel der Menschen in „monogamen“ Beziehungen geht fremd. Und schützt sich dabei nicht.
Was ist das?
Hepatitis heißt übersetzt Leberentzündung. Man unterscheidet zwischen akuter und chronischer Infektion. Von der akuten bemerkt die Hälfte nichts. Die andere Hälfte bekommt eine Leberentzündung und Fieber. Bei zehn Prozent aller Infizierten kommt es zur chronischen Hepatitis B. Auch diese bleibt oft unbemerkt, bis zu einer recht plötzlichen Diagnose von Leberzirrhose, Leberzellkrebs oder chronischer Leberentzündung
Wer hat das?
Es ist eine der häufigsten Virusinfektionen weltweit, etwa 350 Millionen Menschen haben das Virus im Blut.
Was tun?
In Deutschland gehört die Impfung gegen Hepatitis B zu den Standardimpfungen. Die akute Version wird meistens nicht behandelt und heilt von allein. Gegen die chronische gibt es Therapien. Die schlagen aber nicht immer an, chronische Hepatitis B hat man also vielleicht für immer.
Was will ich noch nicht wissen?
Nur wer sich mit Hepatitis B infiziert hat, kann auch Hepatitis D bekommen, was die Krankheit sehr verschlimmern kann. Hepatitis D wird aber selten durch Sex übertragen.
Was ist das?
Bei HPV unterscheidet man zwischen Niedrigrisikotypen und Hochrisikotypen: Erstere sorgen für Feigwarzen, also kleine, warzenartige Wucherungen im Anal- oder Genitalbereich oder auch im Mund. Die Hochrisikotypen verursachen Krebs beziehungsweise dessen Vorstufen. Besonders häufig Gebärmutterhalskrebs. Willst du mehr darüber wissen, dann guck mal hier.
Wer hat das?
Fast jeder im Laufe seines Lebens, aber nur bei 20 Prozent „passiert“ etwas. Bei allen anderen verschwindet die Infektion innerhalb von anderthalb Jahren von allein.
Was tun?
Impfen lassen, am besten vor dem ersten Sex. Und vor dem 18. Geburtstag, da bezahlen die Krankenkassen noch. Gegen die Feigwarzen helfen Cremes. Kondome schützen hier nur zu 50 Prozent, denn HPV ist eine Kontaktinfektion, das heißt: Wenn es nach Feigwarzen aussieht – nicht berühren. Mit keinem Körperteil.
Was will ich noch nicht wissen?
Man kann auch Vulva-, Vagina-, Penis- und Afterkrebs bekommen. Das ist vielen nicht bewusst. Vielleicht weil auf Kondompackungen keine Schockbilder sind.
Was ist das?
Hinter Gonorrhö verbirgt sich der berühmte Tripper. Es handelt sich um eine bakterielle Infektion, ausgelöst durch Gonokokken. Bei den Frauen bemerkt die Hälfte nichts, bei den Männern immerhin auch noch zehn Prozent. Ansonsten kommt es zu einer Harnröhreninfektion mit eitrigem Ausfluss. Darüber hinaus gibt es seltene Unglücksfälle, in denen Bauchfell, Enddarm, Mund oder Augen infiziert werden oder die Infektion über den Blutkreislauf im ganzen Körper verteilt wird.
Wer hat das?
Circa 60 Millionen Neuinfektionen pro Jahr, davon 10.000 bis 20.000 in Deutschland. Die Zahlen steigen gerade wieder.
Was tun?
Antibiotika. Hier entwickeln sich Antibiotikaresistenzen in den jüngsten Jahren zu einem immer größeren Problem. Die Krankheit wird zunehmend schwerer therapierbar. Die WHO schätzt, dass man sie in manchen Fällen bald gar nicht mehr heilen kann.
Was will ich noch nicht wissen?
Der umgangssprachliche Name Tripper kommt vom holländischen „druipen“, das bedeutet „triefen“. Wegen des bereits erwähnten eitrigen Ausflusses.