Triggerwarnung: In diesem Beitrag geht es um Catcalling. Das kann vielleicht unangenehm oder beunruhigend für dich zu lesen sein. Sollte dich dieses Thema belasten, solltest du lieber bei unseren anderen Beiträgen vorbeischauen.
Catcalling beschreibt eine Form der verbalen sexuellen Belästigung. Dabei kann es sich zum Beispiel um anzügliches Nachrufen oder weitere Laute im öffentlichen Raum handeln. Wir wollten wissen, was man bei Catcalling machen kann und haben dafür mit Chalk Back gesprochen. Chalk Back ist eine internationale, von Jugendlichen geführte Bewegung, die sich dafür einsetzt, geschlechtsspezifische Belästigung auf der Straße durch öffentliche Kreidekunst, digitale Medien und Bildung zu beenden.
Chalkback Deutschland ist ein seit 2018 bestehender Zweig von Chalkback International. Unsere Mitglieder sind eine bunte Mischung aus jungen Menschen, die sich gegen sexuelle und sexualisierte Belästigung im öffentlichen Raum einsetzen. Wir sind in den meisten kleineren und größeren Städten in Deutschland vertreten und sorgen auf kommunaler Ebene dafür, dass sich Menschen in den Städten mit den Catcalling-Situationen nicht allein gelassen fühlen.
Wann ist Catcalling Catcalling?
Catcalling ist dann catcalling, wenn die betroffene Person sich belästigt fühlt. Diese Grenze ist bei jedem Menschen anders. Daher ist der Begriff eher schwammig zu definieren und bezieht sich auf das Phänomen der ungewollten Kommentare fremder Menschen gegenüber der eigenen Erscheinung. Ganz allgemein kann man sagen, dass Catcalling dann anfängt, wenn ein fremder Mensch einem anderen entweder zu nahekommt, sexualisierte Kommentare abgibt oder auf eine ungewollte Art und Weise in die Privatsphäre der betroffenen Person eindringt.
Wie unterscheidet es sich zu einem Kompliment?
Komplimente sind positive Aussagen, die sich im privaten zwischen zwei vertrauten Personen auch mal sexuell aufladen können. Im öffentlichen Kontext bzw. von Fremden sind solche Aussagen aber unerwünscht.
Wir beobachten beim Catcalling, dass in sehr vielen Fällen die Täter bzw. Täterinnen sehr viel älter sind als die Betroffenen. Zusätzlich sind es in fast allen Fällen männlich gelesene Personen, die die vermeintlichen Komplimente an weiblich gelesene Personen richten. Das alles sind Unterschiede, die von Anfang an auf Macht und Autorität basieren, was bedeutet, dass die betroffene Person sich schwieriger wehren kann bzw. häufiger nicht trauen sich zu wehren.
Oft finden Catcalls statt, wenn die betroffene Person alleine ist, die Täter oder Täterinnen sich in einer Gruppe befinden oder wenn es draußen dunkel ist. Auch diese Situationen sind die Voraussetzung für eine eher bedrohliche Lage.
Wenn ich einer fremden Person ein ehrliches Kompliment machen möchte, mache ich das nicht in einer dunklen Ecke, ich schreie nicht, ich pfeife nicht, ich laufe der Person nicht hinterher. Ich bedränge niemanden, ich sexualisiere die Person nicht, ich bin höflich und ziehe mich danach sofort zurück.
Bin ich alleine damit?
Zum Glück wird das Thema "catcalling" im öffentlichen Interesse immer größer. Leider gibt es noch keine flächendeckenden Studien oder Befragungen. Allerdings hat das kriminologische Forschungsinstitut Niedersachsen Ende letzten Jahres eine online Befragung mit über 1000 Teilnehmenden in Angriff genommen. Die genauen Ergebnisse können hier nachgelesen werden.
Die Studie ist sehr interessant, auch was das Alter und Geschlecht der Täter bzw. Täterinnen angeht und wie die Polizei mit den Betroffenen umgegangen ist. Natürlich ist das Ergebnis nicht unbedingt repräsentativ, allerdings deckt es sich in allen Kategorien mit unseren Beobachtungen.
Was kann ich machen, wenn ich mich belästigt fühle?
Wenn ich mich belästigt fühle, dann gibt es viele Lösungen. Es kommt immer drauf an, wie ich persönlich bin. Es gibt Menschen, die nicht gerne konfrontieren, es gibt schüchterne Menschen, impulsive, konfrontative Menschen, andere, die sich nicht trauen oder wie eingefroren sind und Menschen, die wütend werden. Helfen kann daher, sich eine Strategie für eine solche Situation anzueignen.
Gut ist, wenn man auf sich und die Situation aufmerksam machen kann, durch lautes Rufen und durch gezieltes Ansprechen von Anwesenden. So hat man im besten Fall Personen, die bezeugen können, was passiert ist. Und laut werden schreckt viele Täter bzw. Täterinnen ab. Gut ist auch, wenn man die Person siezt, das suggeriert Distanz.
Man kann sich der Situation entziehen, in dem man einfach ignoriert was passiert, man kann den Kopf senken und weggehen. Wenn das Ordnungsamt oder die Polizei in der Nähe ist, kann man diese ansprechen und die Situation schildern. Wenn man als betroffene Person wütend wird, sollte man im besten Fall darauf achten, keine Beleidigungen zu verwenden. Sonst kann man sich damit strafbar machen. Häufig hilft, mit Menschen, die einem nahe stehen, darüber sprechen und sich austauschen. Dadurch merkt man schnell, dass man nicht alleine mit seinen Gefühlen ist.
Ist Catcalling strafbar? Wie kann ich mich wehren?
Catcalling als solches ist kein Straftatbestand. Das bedeutet, dass man niemanden anzeigen kann, der einem hinterher pfeift oder einen sexualisierten Kommentar abgibt.
Oft gehen diese beiden Sachen allerdings mit Ordnungswidrigkeiten oder Straftatbeständen einher. Wenn jemand angefasst wird, ist das schon eher eine Aufgabe für die Polizei. Wenn jemand angespuckt wird oder die Täter bzw. Täterinnen Beleidigungen von sich geben, dann kann man das auch melden.
Allerdings ist die Aufklärungsrate und die Bearbeitungsrate sehr niedrig, weil es oft keine wirklichen Zeugen oder Zeuginnen gibt oder der "Streit" einfach beigelegt wird. Wir sind sehr unzufrieden mit der bisherigen Lage für Betroffene. Wir wünschen uns zwar Konsequenzen für die Täter bzw. Täterinnen, aber vor allem frühe Aufklärung in der Gesellschaft und Anlaufstellen für die Betroffenen.
Wenn du schon mal Catcalling erfahren hast, kann es helfen, mit einer Fachperson oder vertrauten zu sprechen. Wichtig ist, dass du die Ursache für einen solchen (verbalen) Übergriff nicht bei dir suchst.